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Gehört: Uve Teschner liest »Wellness« von Nathan Hill Señor Rolando post 2024-05-05T05:05:05+02:00 /2024/05/05/uve-teschner-liest-wellness-von-nathan-hill/ /image/2024/05/uve-teschner-liest-wellness-von-nathan-hill.webp

Wie nennt man sein Institut, in dem man Placebos an Menschen verkauft, die durch pures Dran-Glauben magische Heilungskräfte in sich freisetzen? Eher nichts mit »Placebo« im Namen, dann glaubt ja niemand mehr dran. Zack, Wirkung kaputt. »Wellness« passt besser. Da glaubt die Zielgruppe gern. Der Laden läuft.

Uve Teschner liest »Wellness« von Nathan Hill

Inhaberin ist Elizabeth, eine der beiden Protagonisten hier im Roman. Der andere ist Jack, ihr Ehemann. Wir folgen der Geschichte des Paares vom ersten Anbahnen der zwei Außenseiter in einem alternativen Wohnviertel mit angesagten Alternativkünstlern bis hin zum großen Drama der gutbürgerlichen Ehe als Kleinfamilie im Jedermannsalltag.

Die Beziehungsgeschichte ist der rote Faden, der sich durch die Geschichte zieht. Vom anfänglich euphorischen Hoch geht's über ein paar Berg- und Talfahrten bis kurz vor die Scheidung. Diese braucht's letztlich aber gar nicht, weil der ach-so-tolle Alltag der anderen sich bei genauerer Betrachtung auch nur als gescheiterte Existenzen entpuppt. Das liebe Scheitern passiert halt nur immer auf eine andere Art und Weise. Da ist vom drogenberauschten Selbstverliebten bis zur Instagramm-Scheinglücklichen alles dabei. Dieser Blick ins Private ist jeweils schon recht unterhaltsam.

Noch viel schöner ist's aber auf den Nebenpfaden der Geschichte. Wenn es zum Beispiel um die jeweiligen familiären Hintergründe von Elizabeth und Jack geht. Wenn ihre gutsituierte Familie den heimischen Frieden über Generationen hinweg auf Lügen und pures Glück aufgebaut hat, das aber natürlich nicht zugeben möchte. Oder wenn sein Vater zum augenscheinlichen Verschwörungstheoretiker mutierte, man jedoch erst sehr spät zu spät! die wahren Hintergründe und persönlichen Krankheiten erfährt.

Besonders toll sind natürlich die titelgebenden Geschichten rund um das »Wellness«-Institut von Elizabeth. Hier gibt's Placebotherapien, die ganz hervorragend wirken. Also so lange, wie die Behandelten vom Placebo nichts wissen, sondern eine glaubwürdige Geschichte erzählt bekommen. Wenn die Inszenierung stimmt und die Geschichte überzeugt, braucht's für viele Krankheiten, die nicht auf physischen Gebrechen basieren, gar nicht viel mehr als die eigene Willenskraft. Und wenn die Menschen diese nicht freiwillig aufbringen wollen, gibt's sie halt hübsch aufbereitet aus einem Institut. Es ist ein Traum.

Uve Teschner als Vorlesendem kann man eh bedenkenlos zuhören. Viel besser wird's wohl schlicht nicht.

Unterm Strich haben wir also eine Collage von persönlichen sowie Gesellschafts-Dramen, die jeweils für sich recht harmlos, in Summe recht erschreckend und letztlich doch total egal sind. Alles ganz wundervoll vorglesen. Sehr kurzweilig, sehr empfehlenswert.